Montag, 2. November 2009

WIE HABAKUK DIE WELT ERLEBTE 4

Ein alter Weltenbummler hat mir kürzlich geraten, die ewige Stadt zu besuchen. Wieso ewig?, habe ich ihn gefragt. Du Banause, erhielt ich zur Antwort. Schon Gottvater Jupiter bezeichnete Rom als Ewige Stadt. Wenn du es nicht glaubst, so lies doch bei Vergil nach! Vergil? Ja im Äneis, du Unwissender, belehrte mich der Globetrotter. Ich las Vergil und zog durstig nach neuen Eindrücken Richtung Rom. Der Weltenbummler hat mir eine gute Stadtbesichtigung vorbereitet, die ich mit der Basilika Sankt Paul vor den Mauern begonnen hatte.
Man schrieb das Jahr 1709 als ich vor den Toren Roms ankam. Ich kreuzte dort den Weg eines Reisenden aus Britannia.
Du kommst aus der Stadt, welche ich besuchten möchte, sagte ich ihm. Wo finde ich eine billige Herberge?, bat ich ihn um Rat.
Du möchtest in dieses Bordell?, entgegnete er.
Bordell nennst du die Ewige Stadt? Hat es dir denn in Rom nicht gefallen?
Nein, überhaupt nicht (notätall), sagte er. Hier wirst du die denkbar schlechteste Verwaltung finden. Meine Freude an der Stadtbesichtigung begann zu schwinden. Warum, edler Wanderer, urteilst du so hart?
Siehst du, in dieser Stadt besteht die Bevölkerung zu einem Viertel aus Priestern, zu einem Viertel aus Statuen und zu einem Viertel aus Nichtstuern. (Zit. B. Tuchman, Die Torheit der Regierenden, Ex Libris 1985, S. 169)
Das ist doch nur politische Agitation, dachte ich mir, doch ich biss mir auf die Zunge, denn ich wollte keinen Streit vom Zaun brechen. Wie war dann meine Enttäuschung groß, als ich nach einiger Zeit in Rom sein Urteil bestätigt fand. Ich habe gezählt und fand, dass die Bevölkerung zu einem Viertel aus Statuen und zur Hälfte aus Nichtstuern bestand, denn die Priester habe ich auch in diese Gruppe eingereiht. Eine Wahrsagerin, von denen es übrigens in Rom fast so viele gibt wie Priester und die ab und zu meine einsamen Nächte aufwärmte, erklärte mir, dass dies immer so bleiben wird. Wenn eine Stadt ewig ist, so bleibt sie immer gleich, war ihr Argument. Du wirst sehen, mein lieber Onkel Habakuk, dass in Rom selbst in dreihundert Jahren vorwiegend Statuen, Priester und sonstige Nichtstuer leben werden. Man würde diese, so meine Wahrsagerin, Politiker nennen.
(Fortsetzung folgt)

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