Sonntag, 30. Mai 2010

WIE HABAKUK DIE WELT ERLEBTE 13

Auf meiner Reise habe ich bei einem seltsamen Völkchen Aufenthalt gemacht, lieber Onkel Habakuk. Diese einfachen Leute stehen auf merkwürdige Art mit dem Tod per du. Früher musste ich schon oft die Erfahrung machen, dass die Menschen vom Tod im Tiefsten beschäftigt werden. Der Mensch möchte dem Altern und Vergehen, dem Zerfall, dem Entschwinden und dem Verwesen Einhalt gebieten. Auf tausend Arten versucht er Freund Hein zu besiegen oder ihn zumindest um einen milden Aufschub seiner lieblosen Pflicht zu bitten. Doch meine Gastgeber waren anders. Sie kennen die Furcht vor dem Tod nicht. Sie sind so felsenfest überzeugt, dass die Verstorbenen an ihrem Ort fröhlich weiterleben, dass das Sterben für sie nicht tragischer ist als das Mittagessen.
Als ich zu ihnen kam, brach große Freude aus. Mit Jubelrufen und Festgesängen wurde ich sogleich zum Zauberer geführt. Dieser begann mir Fragen zu stellen und ich erklärte ihm, dass ich eine lange Reise um die Welt mache, um alle Völker kennen zu lernen.
„Wir werden die Ahnen über dich befragen“, sagte er.
„Woher sollten deine Ahnen mich kennen?“
„Die Ahnen sind allwissend“, sagte der Zauberer. „Ihnen geht es gut, sie kennen jeden unter der Sonne, sorgen für Wärme und Regen, behüten unsere Saat und helfen uns, wenn wir im Kriege stehen. Sie werden uns sagen, wer du bist.“
Ich konnte mir nicht vorstellen, was er damit meinte.
„Wie wisst ihr all das?“, ging ich dem Problem auf den Grund.
„Wir stehen in Kontakt mit ihnen. Wir berichten ihnen unsere Neuigkeiten, damit sie uns raten, was wir tun müssen.“
Als der Zauberer merkte, wie wenig ich von seiner Rede verstand, erklärte er: „siehst du, wir werden den Ahnen heute Nachmittag mitteilen, dass du zu uns gekommen bist. Wir schicken einen Botschafter zu ihnen und sie werden uns erleuchten.“
Ich wurde stark neugierig. Um auf alle Fälle einen guten Eindruck zu erwecken, wusch ich mein Gesicht, kämmte mein Haar und meinen Bart und zog mein Festgewand an. Am Mittag endlich, als die Sonne am Zenit stand, rief man mich in die Dorfversammlung. Der ganze Stamm saß in einem großen Kreis um den Zauberer auf dem Boden.
Ein Mann wurde in die Mitte des Kreises gerufen, ein junger Mann in voller Lebenskraft.
„Sieh dir unseren Gast genau an, damit du ihn beschreiben kannst!“, befahl ihm der Dorfälteste.
Der Jüngling musterte mich, prägte sich mein Aussehen ein, musterte meine Größe, prüfte meine Kleidung. Dann nickte er dem Zauberer zu.
„Was wirst du den Ahnen sagen?“, fragte ihn jener.
Der Mann fasste seine Botschaft in genauer Ausführlichkeit zusammen. Dann winkte der Dorfälteste einem kräftigen Mann, der ein Schwert trug. Der ganze Stamm begann im Kreis herumzutanzen. Der Schwerttragende holte aus und schlug mit einem Hieb dem Jüngling den Kopf ab. Ich war entsetzt. Ich verstand: so schickt man also die Nachricht zu den Verstorbenen.
Merkwürdig, lieber Onkel. Hier erledigt man Menschen, um Neuigkeiten zu vermitteln; anderswo vermittelt man Neuigkeiten, um Menschen zu erledigen. Ich bin nie dahinter gekommen, wie der Jüngling die Antwort der Ahnen zurückbrachte. Wurde ihm etwa der Kopf wieder aufgesetzt?
Mit lieben Grüßen Dein Neffe Ibrahim

Donnerstag, 27. Mai 2010

MARK-ant

Vor dem Recht sind alle gleich. Aber nicht vor den Rechtssprechern.
(Stanislaw Jerzy Lec)

Montag, 24. Mai 2010

... IST EIN GANZ BESONDERER SAFT

An Krebs zu erkranken ist eine furchtbare Angelegenheit. Den kalten Blick des Todes zu ertragen fordert Seelenstärke. Alle Ärzte sagen aber, der Kranke soll nicht die Hoffnung aufgeben und durch seine positive Einstellung zur Heilung beitragen. Dies tat ein Mann im US-Gliedstaat Oregon, der 1985 an Lymphdrüsenkrebs erkrankte. Er hinterlegte mit Blick auf bessere Zeiten in der Samenbank eines Spitals eine Spermaprobe, da bekanntlich die Chemotherapie die Gefahr mit sich bringt, Männer unfruchtbar zu machen. Die Hoffnung des Kranken wurde belohnt, er war nach der Behandlung wieder gesund. Nun galt es eine Familie zu gründen. 1994 begab er sich in die Klinik und forderte sein Erspartes zurück. Doch wie peinlich, die Spermaprobe konnte nicht gefunden werden. Die Enttäuschung war groß, dieser Schlag nach der schweren Krankheit schickt jeden auf die Bretter. Der Mann klagte und bekam vom Gericht 1,25 Millionen Dollar als Schadenersatz zugesprochen. (Neue Zürcher Zeitung, 15. Oktober 1997)
In den Vereinigten Staaten ist es üblich, alles in Cent und Dollar zu bewerten. Wenn also ein Ejakulat ungefähr 300 Millionen Spermien freigibt, kann man davon ableiten, dass ein Sperma etwa ½ Cent wert ist. Mit so wenig fängt der Mensch sein Leben an.

Donnerstag, 20. Mai 2010

HAUPTSACHE, WIR GLAUBEN ES ...

Anfang Dezember 1978 fand in Barcelona ein internationaler Kongress statt. Zu den wichtigsten Stars gehörten der Phantomologe John J. Cutten, der Vampirologe Bernard Davis, die britische Hexe Patricia Crowther aus Yorkshire und die französische Krisallkugelexpertin Lena de Saint-Clair. Misters Crowther erläuterte den 300 Teilnehmern die Geheimnisse von Mondritualen und Trancezuständen, Madame de Saint-Clair hielt Kurse im Handlesen und Hellsehen mittels Kristallkugeln und lehrte die Kunst, in die Zukunft zu blicken. Da war einiges los. Hexensabbat, nächtliche Flüge, Metamorphosen sorgten für spannende Unterhaltung. Große Beachtung fanden die Erklärungen des Vorsitzenden an einer Pressekonferenz. Felix LLauge, so hieß der ehrenwerte Kongresspräsident, erklärte den Medien, die Spezialisten wollten Europa klarmachen, dass ihre Religion – sic! – älter als das Christentum sei und alle Verfolgungen von seiten der offiziellen Religionen und Diktaturen überstanden habe. Die Hexerei sei mit der Befreiung des Menschen – hört, hört! – eng verbunden.
Wer sich jetzt ein süffisantes Lächeln erlaubt, möge sich fragen, warum der Glaube dieser Okkultisten weniger ernst zu nehmen ist als jener an Jahwe, Allah und Dreifaltigkeit, an Hölle, Fegfeuer, Paradies, Auferstehung, Gesetzestafeln, das Buch Mormon, Feuerzungen und andere Inhalte.
Ich weiß wie die Antwort lautet: „weil mein Glaube eben wahr ist“.

Dienstag, 18. Mai 2010

DIES IRAE DIES ILLAE

Endlich war es soweit! Das Brautpaar aus Bukarest rüstete sich zum schönsten Tag im Leben, zur Hochzeit. Das Brautkleid zehrte zwar an der Substanz der mageren Ersparnisse, das Hochzeitsessen zertrümmerte das Sparschwein, doch bekanntlich macht Geld allein nicht glücklich, denn das wahre Glück entspringt der Liebe: das stolze Lächeln des Bräutigams, die feuchten Augen der Braut zeugten von dieser Wahrheit, als sie die Kirche betraten. Dort wartete der Priester. Er lehnte sich lässig an den Altar und stützte einen Arm seitlich ab. Das Paar kam näher, der Bräutigam kniff die Augen zusammen, die Braut runzelte die Stirn. Eine mächtige Alkoholfahne wehte ihnen entgegen. Der wird doch nicht schon am Morgen getrunken haben, dachte der junge Mann. Wenn das nur gut geht!
Es ging nicht gut.
Der Priester wandte sich schwankend um und waltete seines Amtes. Doch statt des Trauungszeremoniells rezitierte er die Totenlitanei. Das Brautpaar erstarrte, der Messdiener zog am Gewand des Geistlichen, viele der Anwesenden räusperten sich. Der Gottesmann fuhr unbeirrt fort, seine Stimme für die ewige Ruhe der jungen Leute zu erheben. Plötzlich platzte dem Bräutigam der Kragen. Er begann den Priester zu verprügeln. Die Braut setzte nach und schlug mit verzerrten Gesichtszügen auf den Trunkenbold ein. (Neue Zürcher Zeitung, 18. Februar, 1995).
Bei der Taufe ihres Erstgeborenen wandten sie sich nicht mehr an diesen Diener des Herrn. Er hätte das Kind vielleicht nicht getauft, sondern beschnitten.

Freitag, 14. Mai 2010

SIMPLEX SIGILLUM VERI

Erdbeben sind eine Strafe Gottes. Das wussten schon die Urmenschen und daran hat sich während der letzten zehntausend Jahre trotz sturen Behauptungen der Naturwissenschaftler nichts geändert. Dies weiß jedenfalls der Ayatollah Ahmed Djannati aus Irak. Und den Grund kennt er auch: Gott zürnt wegen des unzüchtigen Verhaltens von Frauen, die Männer zu Unkeuschheit verführen und in der Gesellschaft Unzucht verbreiten. Doch heißt es doch so treffend: ist die Not am höchsten, ist die Rettung am nächsten. Der Ayatollah kennt ein Rezept: Gebete und Almosen würden die Erdstöße verhindern. (NZZ am Sonntag, 25. April 2010, S. 3).
Eigentlich würde der Vatikan gut daran tun, dieses Patent zu kopieren. Dann könnten die Gläubigen um die Wette beten und üppige Almosen nach Rom schicken, wodurch die Bevölkerung von Haiti vor Erdbeben geschützt wäre. Jemand sollte das dem Ayatollah Ratzinger vorschlagen.

Montag, 10. Mai 2010

...WER SICH EWIG BINDET

Am Anfang unserer Zeitrechnung entstanden in Rom die meisten Ehen durch „usus“, durch das gewohnheitsmäßige Zusammenleben. Fanden es zwei lustig, Seite an Seite ihre Tage und Nächte zu verbringen, zogen sie zusammen und wurden, schwupp, nach einiger Zeit als Eheleute angesehen. Madame geriet mit ihrem gesamten Habe unter die Fuchtel des Mannes. Nicht alle Frauen waren mit einer solchen stillschweigenden Verheiratung einverstanden. Um der „manus“, der Hand des Mannes zu entschlüpfen – emanzipieren kommt von diesem Ausdruck – brauchte eine Frau jedes Jahr drei Nächte nacheinander auswärts zu schlafen. Sie konnte dadurch das Verfügungsrecht über ihren Besitz behalten.
Die Welt hat sich inzwischen verändert. Schläft eine Ehefrau heutzutage drei Nächte auswärts, wird sie geschieden und der Besitz ihres Mannes geht zum guten Teil an sie.

Freitag, 7. Mai 2010

DU SOLLST NICHT STEHLEN!

Ein islamisches Gericht der Shabaab, einer der al Qaida nahestehenden Gruppe von Integralisten, hat einen Mann namens Abdikarin Adsullahi nach dem Gesetz der Sharia wegen Diebstahls verurteilt. In der Stadt Bakool im Süd-Westen Somaliens wurde ihm im Fußballstadion vor hunderten von begeisterten Zuschauern die rechte Hand amputiert. Der Verurteilte hatte Bargeld und Mobiltelefone im Wert von 550 $ gestohlen. (Internetportal Mareeg vom 7.5.2010)
Ich dachte spontan, man könnte diese Strafe auch in Europa einführen. Nach reiflicher Überlegung habe ich die Idee schließlich doch verworfen. Ich dachte mir: wie könnten sich dann die Politiker in Italien, in Griechenland und in einigen anderen Staaten Europas bekreuzigen?

Montag, 3. Mai 2010

WARUM HABEN WIR NICHT SCHON FRÜHER DARAN GEDACHT?

Prahlad Jani ist ein magerer aber rüstiger Herr von 82 Jahren Er lebt im indischen Staat Gujarat und gilt als Phänomen. Er behauptet nämlich, sich seit 70 Jahren nicht mehr zu ernähren und auch keine Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Er hätte weder Hunger noch Durst, müsse nie auf die Toilette und könne den Urin, der in seiner Harnblase produziert wird, wieder nach Belieben in den Flüssigkeitshaushalt seines Körpers zurückbefördern. Er würde sich von den Energien ernähren, die aus der Meditation und aus einer alten Yoga-Übung strömen. (Vgl. Corriere del Ticino, 30. April 2010, S. 62)
Bei der Entdeckung des asketischen Greisen haben sich die Wissenschaftler auf den Alten gestürzt. „Sollten wir das Phänomen verstehen, könnten wir Lösungen für den Hunger in der Welt finden“, erklärte der Direktor des Defence Insitute of Physiologist and Allied Science.
Das wäre doch ein Ding! Ein Drittel der Menschheit meditiert im Lotussitz, treibt den Urin in den Körper zurück, verschmutzt die Toiletten nicht mehr und besorgt den Funktionären der Welternährungsorganisation längeren Urlaub.