Montag, 31. März 2014

Es lebe der Sozialismus!

Bis zur Auflösung der Sowjetunion richtete sich die Wirtschaft an Zielvorgaben. Diese missachteten völlig die Gesetze des Marktes und die Bedürfnisse der Bevölkerung. Es war von vornherein klar, dass ein solches sozialistisches Prinzip zum Misserfolg verurteilt war. Die Wirtschaftsplanung war einer dafür zuständigen Regierungsstelle anvertraut, die für alle Bereiche die Jahresziele festlegte. Solche Ziele waren etwa vergleichbar mit der Vorgabe, die einem Jugendlichen vorschreiben, im nächsten Jahr 48 cm zu wachsen. Ein absurdes Beispiel zentralistischer Planung war die Zielsetzung an die öffentlichen Bibliotheken, die eine eidesstattliche Erklärung abgeben mussten, in den drei kommenden Jahren so viele Bücher über Lenin lesen zu lassen, wie nie zuvor. Wie hätte das verwirklicht werden sollen? Wir stellen uns den Bibliothekar vor, der von Tür zu Tür geht, den Leuten eine Biographie Lenins in die Hand drückt und zum Lesen einen Termin von zehn Tagen festlegt. Nach Ablauf dieser Zeit kam er wieder vorbei und kontrollierte durch gezielte Fragen, ob das Buch wirklich gelesen wurde. Es lebe der Sozialismus!

Mittwoch, 26. März 2014

Im stillen Kämmerlein

Spätestens seit den Enthüllungen von Edward Snowden wissen wir, dass wir ziemlich überall bespitzelt werden. Schamlos werden wir ausspioniert, vorwiegend aber nicht auschliesslich durch die USA. Unsichtbare Geister dringen in unsere Privatsphäre ein, was sie dort suchen, ist uns unverständlich. Dennoch, behaglich fühlen wir uns dabei nicht. Wir waren daran gewöhnt, dass unser persönlicher Bereich Türen hatte, die wir nur denen öffnen, die wir erwählt haben. Doch das war nicht immer selbstverständlich. In der Vergangenheit gab es unzählige Gewohnheiten, bei denen die Intimsphäre nicht nur der unteren Gesellschaftsschichten offengelegt wurde. Die Levée, die sonderbare Audienz am französischen Königshof, die später auch in England, ja sogar in den USA von George Washington praktiziert wurde, erlaubte es hochgestellten Persönlichkeiten beim Erwachen und Ankleiden des Königs zugegen zu sein. Dies war eine institutionelle Zeremonie der Entweihung der Privatsphäre, jedoch mit Einverständnis aller Beteiligten. Eine Art Voyeurismus. Doch es gab noch merkwürdigere Beispiele. Als Gofredo Borja, einer der Söhne Papst Alexanders VI. mit der unehelichen Tochter König Alfons II. Von Neapel, Sanchia von Aragonien vermählt wurde, spielte sich eine sonderbare Szene ab. Das Brautpaar wurde in ihre Kammer geführt und von Frauen und Fräulein entkleidet und ins Bett gelegt. Dann traten der König und der päpstliche Legat ins Zimmer und schauten plaudernd dem Liebesakt der beiden zu. Nach etwa einer halben Stunde verabschiedeten sich alle und liessen die Liebenden gewähren. Auch der berühmte Bruder Cesare Borja hat für seine Hochzeitsnacht Zeugen aufgeboten. Das geht aus einer Aufzeichnung hervor, die durch einen Kurier an den Papst gebracht wurde. Sein Sohn Cesare, so hiess es darin, der ehemalige Kardinal, habe mit Fräulein d'Albert am Sonntag, den 12. Mai 1499 die Ehe geschlossen und vollzogen und es achtmal hintereinander gemacht. Guinessreif! Gerade bei hochstehenden Persönlichkeiten hatte diese Praxis eine wichtige Bedeutung: nach kanonischem Recht war die Gültigkeit der Ehe mit dem Vollzug des Geschlechtsaktes besiegelt. Bei Scheidungswünschen konnten also die Zeugen der Hochzeitsnacht beigezogen werden, um das Ansinnen auf eine Auflösung des Bundes zu verhindern. Im Mittelalter kannte man die "benedictio thalami", die Segnung des Ehebettes. Nach dem ausgiebigen und ermüdenden Mahl wurde das Brautpaar ins Schlafzimmer begleitet, die Braut wurde von den Freundinnen ausgezogen, ins Bett gelegt, ermutigt und mit guten Ratschlägen versehen. Dann legte man den frisch erkorenen Ehemann neben sie, der Priester segnete das Ehebett. Danach haben die Freunde mit einem Höllenkrach den Teufel vertrieben. Die Auffassung von der Privatsphäre hat sich also in der Geschichte gewandelt. Früher gab es Zuschauer im ehelichen Schlafzimmer, heute sitzt wohl nur der US Geheimdienst NSA am Bettrand der Liebenden.

Donnerstag, 20. März 2014

Verkehr im Vatikan

Jedes Land kennt Verkehrsregeln. Der Vatikan kennt nur Geschlechtsverkehrsregeln.

Mittwoch, 19. März 2014

Du sollst nicht ...

„Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen“ schrieb Gott auf die Tafel, die er Moses reichte. Dummerweise hat er dabei vergessen, dass er bei der Schöpfung dem Menschen einen übermächtigen Instinkt eingepflanzt hatte, der seinem Gebot kräftig entgegenwirkte: die sexuelle Begierde. Diese Schikane rächte sich. Die Geschichte wimmelt von Übertretungen von Gottes Vorschrift. Dabei scheiterten nicht nur die kleinen und unbedeutenden Menschen am sechsten Gebot. Viele Grosse schlichen sich ins Bett ihres Nächsten. David, den man in Israel so verehrt, dass „sein“ Stern zum nationalen Symbol wurde, schwängerte Bathseba, die Frau seines Heerführers Uria. Um sich seiner zu entledigen, gab er den Befehl, diesen Uria an die gefährlichste Stelle des Kampfes zu schicken und ihn dort allein zu lassen. Uria wurde erschlagen, David verehrt. Mohammed begehrte die Frau von Sais, die schöne Seineb und behielt sie für sich. Er legte Allah in den Mund, er dürfe alle Frauen haben, die er begehrte. Papst Alexander VI. schlief mit der Frau Orsinis, Giulia Farnese, und als diese zu ihrem Mann zurückkehren wollte, drohte er beiden mit Exkommunikation. Ludwig XIV. war für seine Vorliebe zu Frauen, nicht nur Singles, bekannt. Eine hübsche Geschichte erzählt uns Rousseau in seinen Bekenntnissen. Er begegnet einem Priester, Abbé Gâtier, einem „sehr sanften Herzen“, der nicht befördert wurde, weil er eine Jungfrau in seiner Gemeinde geschwängert hatte. Er bemerkt, dass dies in der Diözese einen fürchterlichen Skandal verursacht hatte. „Die Priester sollen, nach guten Regeln nur verheiratete Frauen schwängern“, berichtet er. „Du sollst die Frau deines Nächsten nicht begehren!“ Auch die begehrenswerten nicht. Doch vergessen wir nicht, die Reize einer schönen Frau erschüttern die Autorität Jahwes.

Sonntag, 16. März 2014

Die Katze im Sack

Das Tagesblatt Gulf News berichtete von einem arabischen Botschafter, der in Dubai die edle Absicht hatte, zu heiraten. Eine alltägliche und recht gewöhnliche Sache, würde man meinen. Doch nicht so, wenn der Bräutigam seiner Auserwählten noch nie ins Gesicht blicken konnte, weil diese Burka-Trägerin ist. Erwartungsvoll stand der zukünftige Ehemann nach dem Jawort da, bereit sich zu verlieben, als die Braut den Niqab, die Kopfverhüllung des Ganzkörperschleiers lüftete. „Oh, my God“ mochte er ausgerufen haben, was auf arabisch etwa wie „marhalla Allaha“ tönen konnte. Was er da sah war eine arg schielende, hässliche Braut mit stark ausgeprägtem Gesichtshaar. Der Bräutigam wandte sich an das Gericht, ersuchte um Annullierung des Eheversprechens und verlangte für die erlittenen moralischen Schäden Entschädigung. Die Moral von der Geschicht, kauf die Katze im Sack nicht.

Freitag, 14. März 2014

Hexerei

Der Bischof von Exeter hatte für seine Diözese ein Pönitentialbuch, ein Strafgesetzbuch für Gläubige verfasst. Darin wurden alle Vergehen zusammengetragen, die dem Bischof nicht gefielen und seine Sicht von Rechtgläubigkeit verletzten. Es erhielt auch die Strafen, die dem Hirten für die Verfehlungen als angemessen erschienen. Unter anderem wurden Frauen der Hexerei beschuldigt und entsprechend bestraft, die behauptet hatten, sie könnten durch Zauberei und Beschwörungen den Männern den Kopf verdrehen. Hört, hört! Herr Bischof, vielleicht wussten Sie das nicht, aber dazu braucht es doch keine Hexerei.

Samstag, 8. März 2014

Imago Dei

Und Gott sprach; lasset uns den Menschen machen, nach unserem Bild, uns ähnlich. Und Gott schuf den Menschen, nach seinem Bilde, nach dem Bilde Gottes schuf er ihn, als Mann und Weib schuf er ihn. Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. (1. Moses, 1, 26 ff) Da stand einer vor dem Spiegel und betrachtete sich. So ist also der Antlitz Gottes, meinte er. Eine Nase, zwei Augen, die auf eine Brille angewiesen sind, zwei Ohren, schütteres Haar. Vielleicht schwitzen auch seine Füsse. Aber da fehlt doch das Weib. He, Frau, komm her, erst zu zweit sind wir wie Gott. Nein, du Banause, wandte der Priester ein, der das hörte. Das ist doch bildlich zu verstehen. Der Mann war verunsichert. Wie ist man bildlich dem Bilde Gottes gleich? Das Bild im Spiegel ist also nur bildlich zu verstehen? Ein Zank entfachte sich mit dem Theologen. Du darfst die Schrift nicht in Frage stellen, denn sie ist die Wahrheit. Ich stelle ja nichts in Frage, sondern nehme das Geschriebene sehr ernst. Wenn ich also nach dem Bilde Gottes geschaffen bin, dann ist ja Gott wie ich. Keiner wollte nachgeben, sie gerieten sich in die Haare. Zweitausend Jahre später kam einer namens Ludwig Feuerbach, ein Philosoph, der die Sache in ein neues Licht rückte. Nicht Gott hat den Menschen nach seinem Bild erschaffen, sondern der Mensch Gott. Bildlich auch diesmal, natürlich. Da liess sich das Bildliche schon besser vertreten. Denn wenn man den Charakter Gottes in den Schriften beachtet, so fällt es auf, dass er sehr menschliche Züge hat. Er ist gewalttätig, verlogen, launisch, eifersüchtig, rachsüchtig, inkohärent, eitel. Damit können wir schon besser leben. Doch wie kam es zu dieser Schöpfung? Unser guter alter Vorfahre schaute abends aus seiner Höhle und erschrak: ein grelles Licht erhellte den Himmel. Weib, was war denn das? fragte er seine Anvertraute. Noch bevor diese antworten konnte, war ein unheimliches Dröhnen und Krachen zu hören. Das muss was ganz Grosses, Mächtiges, Erzürntes sein, sagte die Frau. Nun wenn es so ist, dann wollen wir ihn "Gott" nennen. Und fortan war Gott für alles zuständig, was der alte Vorfahre nicht verstehen konnte: Tsunamis, Erdbeben, Überschwemmungen, Gewitter, Erdverwerfungen und vieles andere mehr. Die Lücken im Wissen des alten Vorfahrens musste Gott füllen. So hiess er auch "Lückenbüssergott". Doch da er diesen nicht anders vorstellen konnte, als jene, die um ihn waren, gab er ihm sehr menschliche Züge. Er schuf Gott nach seinem eigenen Bilde. Noch lange bevor Ludwig Feuerbach diese Einsicht hatte, kam ein alter Grieche auf die gleiche Idee. Schon vor zweitausend fünfhundert Jahren gab es Denker, die erkannt hatten, dass Götter ein anthropomorphes Konstrukt sind. So meinte Xenophanes: Wenn die Ochsen und Rosse und Löwen Hände hätten oder malen könnten mit ihren Händen und Werke bilden wie die Menschen, so würden die Rosse rossähnliche, die Ochsen ochsenähnliche Göttergestalten malen und solche Körper bilden, wie jede Art gerade selbst ihre Form hätte. Und Lukrez fügte etwa ein halbes Jahrtausend später hinzu: Die Angst ist die erste Mutter der Götter. Die Angst vor dem Unbekannten. Dunkelheit, Naturgewalten, Tod, Krankheit, Leiden, Ausmasse des Universums, all diese Phänomene riefen Gott auf den Plan, der dafür herhalten musste, dass der Mensch für seine Fragen keine Antworten fand. Doch der Mensch ist bekanntlich neugierig, ein suchendes Wesen. Er forscht auf allen Gebieten und findet immer mehr Antworten auf die geheimnisvollen Phänomene, die ihn umgeben. Gott muss nicht mehr für Blitz, Erdbeben, Überschwemmungen und Vulkanausbrüche bemüht werden. Die Gesetze der Natur wurden enthüllt, der „Lückenbüssergott“ immer stärker zurückgedrängt. Die Religionen versuchten sich dagegen anzustemmen. Wer nicht glauben wollte, musste daran glauben. Giftbecher, Scheiterhaufen, Verstümmelungen, Morde und im milderen Falle Vertreibungen sollten helfen, die „Ungläubigen“ zur Räson zu bringen. Oder zumindest die anderen davon abzuhalten, diesen verwegenen Gestalten zu folgen. Gott wurde zu jener Erfindung des Menschen, in dessen Namen er seinen Nächsten tötet. Doch die Bleibe des Lückenbüssergottes wurde immer enger. Verwegene Freidenker, nüchterne Wissenschaftler, aufgeklärte Künstler wagten es immer mehr, ihn zu verdrängen. Alle, die um jeden Preis an den vom Menschen erschaffenen Gott glauben wollen, entgegneten, dass es noch genügend ungeklärte Fragen im Leben gibt, um Gott nicht den Arbeitsvertrag zu künden. Was sie allerdings nicht sagen können, warum Gott diese Fragen beantworten würde. Und wie. Beharrlich halten sie fest, dass sie auf jeden Fall recht haben. Der Glaube erweist sich als die Kunst, sich bei den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen. Für die Theologen bleibt er jedoch die Bastion, die ihre Stellung verteidigt

Samstag, 1. März 2014

Was wäre wenn ...?

Wir meinen und sind daran gewöhnt, die Geschichte als zwingende Abfolge von vergangenen Ereignissen zu betrachten. Doch dies ist eine optische Täuschung, die nur in der Rückwärtsperspektive entsteht. Mit Blick nach vorne, in die unbekannte Zukunft, ist der Ablauf der Dinge Bahngeleisen mit unzähligen Schienen vergleichbar, die mit Weichen untereinander verflochten sind. Bei jeder dieser Weichen "entscheidet" die Geschichte über ihre Zukunft. Doch was wäre geschehen wenn...? Wenn Saulus auf dem Weg nach Damaskus nicht einen epileptischen Anfall gehabt hätte? Da wäre wohl das Christentum wie viele anderen Glaubensgemeinschaften nicht zur Weltreligion geworden. Oder wie dünn war der Faden, an dem das Schicksal der Zarin Katharina von Russland hing! Bei ihrem Staatsstreich gegen ihren unfähigen Gemahl Peter III. hatte ihr ein Kommando des Zaren Widerstand geleistet, die Soldaten hatten schon die Gewehre angelegt, um sie zu erschiessen, als unerwartet ein Major ausrief: "Hurra! Es lebe die Kaiserin". Begeistert liessen alle anderen Katharina hochleben, liessen ihre Gewehre sinken und retteten der zukünftigen grossen Herrscherin das Leben und der Welt ihre geschichtliche Rolle. Wie wäre die Geschichte verlaufen, wenn der General Napoleons Emmanuel de Grouchy in der Schlacht von Waterloo sein Hirn benutzt hätte statt blind einen Befehl auszuführen, und damit die Niederlage in dieser entscheidenden Schlacht verhindert hätte, (so zumindest deutete Napoleon das Desaster um sein eigenes Versagen zu vertuschen)? Wenn die Bombe Stauffenbergs Hitler getötet hätte? Oder nehmen wir das abendländische Schisma der katholischen Kirche. Nach den drei "Gegenpäpsten", die alle Anspruch auf die Führung der Kirche erhoben, wurde nach vierzig Jahren Kampf offiziell Martin V. als Oberhaupt der Kirche anerkannt. Hätte aber einer der Schismatiker gesiegt, so wäre jener als rechtmäßiger Nachfolger Petri in die Geschichte eingegangen und dann wäre er unfehlbar geworden und hätte andere Dogmen erlassen können als sein Kollege. Man komme mir nicht mit Sprüchen wie "der Heilige Geist hat es so bestimmt", gäbe es ihn, so hätte er es nicht zugelassen, dass seine Kirche in ein solches Schlamassel geraten wäre.