Samstag, 8. März 2014

Imago Dei

Und Gott sprach; lasset uns den Menschen machen, nach unserem Bild, uns ähnlich. Und Gott schuf den Menschen, nach seinem Bilde, nach dem Bilde Gottes schuf er ihn, als Mann und Weib schuf er ihn. Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. (1. Moses, 1, 26 ff) Da stand einer vor dem Spiegel und betrachtete sich. So ist also der Antlitz Gottes, meinte er. Eine Nase, zwei Augen, die auf eine Brille angewiesen sind, zwei Ohren, schütteres Haar. Vielleicht schwitzen auch seine Füsse. Aber da fehlt doch das Weib. He, Frau, komm her, erst zu zweit sind wir wie Gott. Nein, du Banause, wandte der Priester ein, der das hörte. Das ist doch bildlich zu verstehen. Der Mann war verunsichert. Wie ist man bildlich dem Bilde Gottes gleich? Das Bild im Spiegel ist also nur bildlich zu verstehen? Ein Zank entfachte sich mit dem Theologen. Du darfst die Schrift nicht in Frage stellen, denn sie ist die Wahrheit. Ich stelle ja nichts in Frage, sondern nehme das Geschriebene sehr ernst. Wenn ich also nach dem Bilde Gottes geschaffen bin, dann ist ja Gott wie ich. Keiner wollte nachgeben, sie gerieten sich in die Haare. Zweitausend Jahre später kam einer namens Ludwig Feuerbach, ein Philosoph, der die Sache in ein neues Licht rückte. Nicht Gott hat den Menschen nach seinem Bild erschaffen, sondern der Mensch Gott. Bildlich auch diesmal, natürlich. Da liess sich das Bildliche schon besser vertreten. Denn wenn man den Charakter Gottes in den Schriften beachtet, so fällt es auf, dass er sehr menschliche Züge hat. Er ist gewalttätig, verlogen, launisch, eifersüchtig, rachsüchtig, inkohärent, eitel. Damit können wir schon besser leben. Doch wie kam es zu dieser Schöpfung? Unser guter alter Vorfahre schaute abends aus seiner Höhle und erschrak: ein grelles Licht erhellte den Himmel. Weib, was war denn das? fragte er seine Anvertraute. Noch bevor diese antworten konnte, war ein unheimliches Dröhnen und Krachen zu hören. Das muss was ganz Grosses, Mächtiges, Erzürntes sein, sagte die Frau. Nun wenn es so ist, dann wollen wir ihn "Gott" nennen. Und fortan war Gott für alles zuständig, was der alte Vorfahre nicht verstehen konnte: Tsunamis, Erdbeben, Überschwemmungen, Gewitter, Erdverwerfungen und vieles andere mehr. Die Lücken im Wissen des alten Vorfahrens musste Gott füllen. So hiess er auch "Lückenbüssergott". Doch da er diesen nicht anders vorstellen konnte, als jene, die um ihn waren, gab er ihm sehr menschliche Züge. Er schuf Gott nach seinem eigenen Bilde. Noch lange bevor Ludwig Feuerbach diese Einsicht hatte, kam ein alter Grieche auf die gleiche Idee. Schon vor zweitausend fünfhundert Jahren gab es Denker, die erkannt hatten, dass Götter ein anthropomorphes Konstrukt sind. So meinte Xenophanes: Wenn die Ochsen und Rosse und Löwen Hände hätten oder malen könnten mit ihren Händen und Werke bilden wie die Menschen, so würden die Rosse rossähnliche, die Ochsen ochsenähnliche Göttergestalten malen und solche Körper bilden, wie jede Art gerade selbst ihre Form hätte. Und Lukrez fügte etwa ein halbes Jahrtausend später hinzu: Die Angst ist die erste Mutter der Götter. Die Angst vor dem Unbekannten. Dunkelheit, Naturgewalten, Tod, Krankheit, Leiden, Ausmasse des Universums, all diese Phänomene riefen Gott auf den Plan, der dafür herhalten musste, dass der Mensch für seine Fragen keine Antworten fand. Doch der Mensch ist bekanntlich neugierig, ein suchendes Wesen. Er forscht auf allen Gebieten und findet immer mehr Antworten auf die geheimnisvollen Phänomene, die ihn umgeben. Gott muss nicht mehr für Blitz, Erdbeben, Überschwemmungen und Vulkanausbrüche bemüht werden. Die Gesetze der Natur wurden enthüllt, der „Lückenbüssergott“ immer stärker zurückgedrängt. Die Religionen versuchten sich dagegen anzustemmen. Wer nicht glauben wollte, musste daran glauben. Giftbecher, Scheiterhaufen, Verstümmelungen, Morde und im milderen Falle Vertreibungen sollten helfen, die „Ungläubigen“ zur Räson zu bringen. Oder zumindest die anderen davon abzuhalten, diesen verwegenen Gestalten zu folgen. Gott wurde zu jener Erfindung des Menschen, in dessen Namen er seinen Nächsten tötet. Doch die Bleibe des Lückenbüssergottes wurde immer enger. Verwegene Freidenker, nüchterne Wissenschaftler, aufgeklärte Künstler wagten es immer mehr, ihn zu verdrängen. Alle, die um jeden Preis an den vom Menschen erschaffenen Gott glauben wollen, entgegneten, dass es noch genügend ungeklärte Fragen im Leben gibt, um Gott nicht den Arbeitsvertrag zu künden. Was sie allerdings nicht sagen können, warum Gott diese Fragen beantworten würde. Und wie. Beharrlich halten sie fest, dass sie auf jeden Fall recht haben. Der Glaube erweist sich als die Kunst, sich bei den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen. Für die Theologen bleibt er jedoch die Bastion, die ihre Stellung verteidigt

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