Montag, 29. März 2010

WIE HABAKUK DIE WELT ERLEBTE 12

Ich setzte nach Afrika über, mein lieber Onkel Habakuk und zog gegen Süden. Je südlicher ich kam, desto wärmer wurde es, bis es schließlich so heiß und üppig war, dass meine Eselin Ruhla ihr Los zu verfluchen begann. Sie wollte lieber Polaresel sein, entnahm ich der Klage in ihrem keuchenden Atem. Nach beschwerlichen Tagen gelangte ich zu den Buschnegern, die dort wohnen, wo der Äquator wie ein roter Strich durch die Wüste verläuft. Ich ließ meine Eselin im Schatten eines totgehungerten Löwen zurück und begab mich in die Oase. Die Buschneger, die ich hier antraf, waren so schwarz wie die Nacht, sodass sie selbst beim grellen Sonnenlicht nur wie Schatten aussahen. Sie waren dermaßen dunkel, dass selbst sie sich voreinander fürchteten. Deshalb bemalten sie sich mit kunterbunten Farben, grün, gelb und rot und steckten sich prächtige Feder von Pfauen und Riesenpapageien in die Haare. Geschminkt sahen sie etwas weniger furchterregend aus.
Als sie mich erblickten, wollen sie mich gleich zum Mittagsmahl verspeisen, weil sie meinten, dadurch könnten sie auch schön weiß werden, wie ich. Sie setzten mich also in den Kochtopf und befahlen dem Magier, mich zuzubereiten. Dies aber ging nach folgendem Rezept: das Gericht (in diesem Fall ich selbst) wird in eine große Holzpfanne gelegt, die Holzpfanne aber aufs Feuer. (Hier kennt man keine Eisenpfannen). Die Kochzeit beträgt eine halbe Pfannenbrandlänge.
Ich sah, dass diesmal die letzte Etappe meiner Reise in dieser Welt erreicht war und bat die Buschneger, dir lieber Onkel eine Todesanzeige schicken zu dürfen. Diese willigten ein. Ich ging also meine Eselin holen, da sich mein Schreibzeug in der Reisetasche befand. Das war aber meine Rettung. Als ich nämlich mit der guten Ruhla zurückkehrte, sind meine Gastgeber außer sich geraten. Sie stürzten sich auf das Tier, umtanzten es, streichelten es, betasteten seinen Hintern und bestaunten es. Um mich kümmerten sie sich nicht mehr. Ich nahm an, sie würden an meiner Statt die Eselin kochen wollen und verschwand unbemerkt. Ich kam aber nicht weit, da stieß ich auf die Negerfrauen, die gerade beim Holzfällen waren. Sie arbeiteten hart, schleppten riesige Stämme und schwere Reisigbündel und stöhnten unter der Last. Denn dies habe ich dir noch nicht gesagt: die Buschmänner rührten nichts an. „Uru-Bukra, der große Geist, erklärte mir später der Häuptling, schuf den Mann nach seinem Bild. Weil aber Uru-Bukra schön ist, ist der Mann schön. Arbeit macht hässlich. Darum schickt Uru-Bukra dem Mann die Frau. Die Frau ist nicht schön, sie arbeitet.“
Während ich den schwarzen Frauen zusah, (sie hatten sehr-sehr wenig Kleider an und waren übrigens gar nicht so unschön, wie dies der Häuptling behauptet hatte), bemerkte ich nicht, dass mich die Männer eingekreist hatten. „Also doch“, dachte ich. Ich fand es demütigend, mit der Eselin im gleichen Topf gekocht zu werden, doch was konnte ich schon tun?
„Komm, komm“, rief der Häuptling aufgeregt und fuchtelte mich den Händen. Ich wolle weglaufen, doch sie umzingelten mich und beschworen mich, ins Dorf zu kommen. „Schnell“, sagte der Häuptling eindringlich. „Deine Frau ruft nach dir.“ Da hörte ich aus der Ferne meine Eselin brüllen: iiaaah, iiaaah. Zuerst war ich sehr verblüfft, doch dann verstand ich plötzlich den Sinn dieser wirren Worte. Die Folgerung der Männer war logisch: bei ihnen arbeiteten nur die Frauen. Da meine Eselin die Reisesäcke schleppte, musste sie nach ihrer Auffassung meine Frau sein.
Du wirst aber sehen, lieber Onkel Habakuk, eine solche Einstellung der Männer bleibt nicht ungestraft. Es wird mit uns ein schlechtes Ende nehmen. Die Zeit kommt, wo sich alles umkehren wird. Da werden sich die Frauen mit Farben bemalen und sich bunt schmücken, während die Männer arbeiten werden. Sollte einer in ferner Zukunft Haushaltsmaschinen erfinden, dann wird die unerfahrene Frau beim Anblick des Geschirrspülers die Besitzerin fragen: ist das hier dein Mann?

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