Donnerstag, 4. März 2010

CALVIN IST TOT, ES LEBE CALVIN

Man wirft oft der katholischen Kirche Bevormundung der Gläubigen und Gewissensinquisition vor und übersieht oft, dass der Calvinismus sie weit hinter sich ließ. In alles mischte sich die klerikale Polizei ein, fast jede Äußerung natürlichen Lebensdrangs und unbefangenen Frohsinns wurde beargwöhnt, untersagt und bestraft. Auf Fluchen, Kegelspiel, laute Scherze, leichtsinnige Reden standen hohe Bussen, auf Ehebruch die Todesstrafe. (Vgl. Egon Friedell, Renaissance und Reformation, S. 299). Dieser Geist hat tiefe Wurzeln geschlagen und spukt noch heute in manch einem Kopf Genfs. Nur so lässt es sich erklären, dass ein verblendeter Zelot seine Polizei in ein Luxushotel ausrücken lässt, um den Sohn eines weltbekannten Tyrannen in Handschellen zu legen, weil dieser seine Diener verprügelt hatte, eine Tat, die er wohl jeden Tag und überall vollbringt. Der Polizeipräfekt befindet: Recht muss sein, Verhältnismäßigkeit ist keine Sache der Calvinisten. Zu diesem Hohlkopf gesellt sich schon bald ein Kollege, der ein Exempel statuieren will und die demütigenden Bilder der Verhaftung des Tyrannensohnes der Presse zuspielt. Die Presse ist Presse, sie hat noch nie darüber Gedanken verloren, ob die Veröffentlichung einer Nachricht angebracht ist, wenn sie nur die Lust nach Sensation befriedigt.
Und danach prallen harte, starre Köpfe aufeinander. Der Polizeipräfekt beharrt darauf, richtig gehandelt zu haben, denn sein Calvinistenschädel funktioniert wie Binärzahlen: „ja oder nein“. Ein „teilweise“ kennt er nicht. Der Fotolieferant versteckt sich feige, denn er spürt, dass er eine Tracht Prügel verdient hat. Ich persönlich würde ihm gerne einige Nettigkeiten antun. Der Cäsar der Kameltreiber indessen macht aus einer Lappalie eine Frage von Leben und Tod und würde am liebsten der Schweiz den Krieg erklären. Er rächt sich an Unschuldigen mit seiner widerlichen Mentalität, die, wer erinnert sich nicht mehr daran, einige bulgarische Krankenschwester, die in seinen verlausten Spitälern Dienst leisteten, zu Tode verurteilen ließ, um nicht zugeben zu müssen, dass in zivilisierten Ländern Tierkliniken weit höher stehen als seine Krankenhäusern. Er wollte auch den Vorschlag machen, die Schweiz zu vierteilen und die Strünke unter den Nachbarländern zu verteilen. In einem Punkt stimme ich ihm zu: Genf könnten wir gerne Sarkozy schenken.

4 Kommentare:

  1. So kann man es auch sehen bezüglich Genf und Calvin. Denn der gestrenge Calvin eignet sich hervorragend für Schelte, obwohl vor Jahrhunderten gestorben ist und auch in Genf nicht immer gern gesehen war. Aber ich breche eine Lanze für ihn! Denn ohne ihn, seinen Einfluss und die Hugenotten wäre die Schweiz jedoch weitaus ärmer und rückständiger. Besonders an Hollands Geschichte und Gesellschaft kann man sehen, dass dort die Calvinisten nicht nur streng, sondern auch am tolerantesten waren gegenüber anderen Glaubenslehren. so waren Täufer und Juden dort am ehesten geduldet, und dies bereits im 17. Jahrhundert!
    Aber im Jahre 2009 des Herrn sind noch andere Einflüsse wirksam in Calvins Stadt und anderswo. Bereits Max Weber sah das 1904 etwas differenzierter und positiver in "die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus"...

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  2. Jede Interpretation historischer Ereignisse ist naturgemäss subjektiv. Auch die meine. Dennoch gibt es stets Grundzüge, die eine sanfte Verallgemeinerung erlauben. Holland ist für das "Regime" Calvins ein gutes Beispiel. Die Holländer waren gegenüber anderen am tolerantesten, nicht wegen, sondern trotz Calvin. Wer früher das Joch der Spanier im Nacken trug, wer einen Herzog von Alba als Gesetzgeber ertragen musste, würde sich selbst verleugnen, wenn er nach Erlangung der ersehnten Unabhängigkeit die Toleranz mit Füssen treten würde, wie dies in Genf geschah. Dies wäre ein krasser Widerspruch zur eigenen Lebenshaltung. Man möge mir nicht entgegenhalten, dass sich gerade heute die Holländer intolerant gegen den Islam verhalten. Sie sind - und beileibe nicht alle - intolerant gegen intolerante Muslims. Weil sie in der Toleranz einen echten Wert erblicken. An der uralten Frage, ob der Tolerante auch den Intoleranten akzeptieren sollte, scheiden sich die Geister. Dabei sei klar gesagt: es gibt nicht nur bei den Muslims Intolerante. Dies ist ein Gebrechen der meisten Religionen und aller Nationalismen.
    Es ist auch richtig, dass die Schweiz vom Kalvinismus geprägt wurde. Im Guten wie auch zum Teil im Schlechten. Ethisch und philosophisch wäre gewiss eine religionsneutrale Ordnung vorzuziehen gewesen. Doch wenn man eine solche trotz enormen Erkenntnisfortschritten noch heute nicht errichten kann, wäre dies zu früheren Zeiten gänzlich undenkbar gewesen. Hélas!

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  3. Ich persönlich halte eine religionsneutrale Ordnung für unmöglich oder besser gesagt für einen Mythos . Denn irgendein Glaube, Religion, Tradition und Kultur hat jeder, ob er oder sie das wahrhaben will. Auch Atheismus, Agnostizismus und alle Ismen sind auch "Glauben", weil sie gewisse Annahmen getroffen haben und als richtig befunden haben. "Man kann eigentlich nicht nicht glauben"

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  4. Da sind aber auf einmal zu viele Begriffe, die miteinander verglichen werden. Ein religiöser Glaube mit inhaltlichen Bestimmungen ist und bleibt anthropomorph. Es ist eine zu einfache Behauptung, dass Religionen für die Ordnung im menschlichen Zusammenleben bürgen. Man kann genau das Gegenteil auch beweisen. Man kann sehr gut nicht glauben und das Unerklärliche unerklärlich lassen. Das ist wohl der einzige Glaube, der menschenwürdig ist.

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