Sonntag, 7. Februar 2010

WIE HABAKUK DIE WELT ERLEBTE 10

Diesmal entging ich in Persien nur knapp dem Tod, mein lieber Onkel Habakuk. In bin in eine sehr unerfreuliche Situation geraten. Zuerst ging zwar die Reise bestens, ich traf viele nette Menschen und bekam Neuigkeiten zu sehen, die man sonst nirgends antrifft. Doch als ich eines Tages vor den Gerichtshof geladen wurde, sah es wirklich so aus, als hätte mein letztes Stündlein geschlagen. Der Grund des Aufhebens war, wie immer, meine Eselin Ruhla. Sie hatte ein Techtelmechtel mit einem königlichen Kriegshengst, es gab dann Komplikationen, namentlich ein Maulesel. Ich wurde der „Verunreinigung der reinen persischen Kriegsrossrasse“ angeklagt.
Ich brachte ein schlagendes Argument vor: Maulesel könnten sich nicht fortpflanzen, somit bestehe keine Gefahr, dass das Eselsblut meiner Ruhla die Ader der Kriegshengstrasse verpeste.
Schon die Tatsache, dass auf persischem Boden ein solches Ungetüm aus deiner Schule zur Welt gebracht wurde, ist strafbar, sagte der Richter.
Ich beteuerte, ich wäre unschuldig. Es war meine Eselin Ruhla, die sich einen Fehltritt erlaubt hatte. Der Richter, ein grimmiger Mann, blieb unbeugsam. Er hatte die eigenartige Gewohnheit, immer das gleiche Urteil zu fällen: der Angeklagte soll gehäutet werden.
Wenn du seine Geschichte hörst, wirst du verstehen, warum.
Sein Vater selig war Richter unter dem König Kambyses. Einmal, als er ein Urteil nicht nach dem Geschmack des Königs fällte, ließ ihn Kambyses häuten, seinen Richterstuhl mit der abgezogenen Haut überziehen und den Sohn des Ungelehrigen in das Richteramt einsetzten. Dieser fällte dann, in ständiger, heilsamer Hautfühlung mit seinem Vater königlichere Urteile. So ergab es sich, dass der Sohn-Richter ziemlich eintönig alle Angeklagten häuten ließ und mit derer Haut allerlei Sattlerarbeiten ausführen ließ.
Als ich vor ihn geführt wurde, begann er das Verhör wie folgt:
Wie groß bist du?
Einmeterachtundsechzig.
Brustumfang?
Zweiundachtzig.
Bundweite?
Achtzig.
Keine ausgesprochen Mannequinfigur, grunzte er. Er gibt gerade noch einen Küchenhocker ab.
Ich bin aber unschuldig, plädierte ich.
Küchenhocker also, sagte der Richter und wollte meinen Einwand nicht zur Kenntnis nehmen.
Lieber Onkel Habakuk, es waren schreckliche Augenblicke. Selbst der Gedanke an die delikaten Körperteile der Mägde, die einmal an meiner Haut herumrutschen sollten, gab mir in Anbetracht meines Loses keinen Trost. Ich glaube, dieser skrupellose Richter würde in der Not selbst das Fell seines Vaters zu Markte tragen und seinen Stuhl einem Antiquar verkaufen. Doch da das Philosophieren die Welt weder erklären noch verändern kann, halfen mir meine Überlegungen in dieser prekären Situation reichlich wenig. Der Richter begann meine Personalien aufzunehmen. Die braucht man für den Qualitätsnachweis, erklärte er mir.
Als er hörte, dass ich Jude bin, fragte er: bist du beschnitten?
Ja.
Ich hebe das Urteil auf. Der Sattler hätte mir dir nur Flickarbeiten, sagte er und ließ mich springen. Ich bin mir wieder sehr wohl in meiner Haut.
Herzliche Grüße
Dein Neffe Ibrahim

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