Donnerstag, 21. Januar 2010

WIE HABAKUK DIE WELT ERLEBTE 9

Ich bin immer noch in Indien auf Reisen, und habe nach wie vor mit meiner Eselin Ruhla Probleme. Sie ist übermütig, frech und störrisch wie ein Esel und ziemlich selbstgefällig. Sie wird in dieser Haltung dadurch bestärkt, dass sie weiß, das Gesetz würde hier die Tiere schützen. Wer ihnen etwas antut, wird hart bestraft. Ich dachte daran, sie nachts zu verprügeln, doch da begann sie fürchterlich zu iahen, dass sie alle weckte und ich von meinem Vorhaben ablassen musste. Ich war zu Tode erschrocken, man würde mich vor Gericht stellen. Am Tage vorher sah ich nämlich einen Gepfählten, dessen Schicksal mir großen Eindruck machte. Er stak auf einem Pfahl vor dem Stadttor und schaute so unglücklich und niedergeschlagen drein, dass mir bei seinem Anblick beinahe das Herz brach. Nicht einmal meinen Gruß erwiderte er. Er spuckte in meine Richtung und hauchte dann seine Seele aus.
Er wurde der Veruntreuung angeklagt, niemand konnte jedoch seine Schuld nachweisen.
Der Richter versuchte, ihm durch gutes Zureden ein Geständnis zu entlocken.
„Gesteh doch freiwillig, dann werden wir nur die Hände abgehackt“, ermunterte er ihn. „Solltest du verurteilt werden, so zieht man dir die Haut ab.“
Der Angeklagte gestand nichts.
Der Richter brüllte ihn an, er brüllte zurück.
„Du bist schuldig!“
„Ich bin unschuldig!“
„Schuldig bist du!“
„Unschuldig!“
Lange schrieen sich die beide auf diese Art an.
Dann kam die Wende.
„Ich rufe Manu zum Zeugen“, sagte der Angeklagte.
„Dies sollst du haben“, kam im der Richter entgegen. „Holt den Schlangenkorb!“, befahl er dem Gerichtsdiener.
Da verband man dem Angeklagten die Augen und hielt ihn an, aus dem Korb – eine giftige Schlange schummerte darin – den Ring des Richters herauszuholen.
„Ist Manu dein Zeuge, so wird er dich beschützen. Bist du aber schuldig, so lässt dich Manu im Stich.“
Der Mann war aber nicht nur unschuldig, einfallsreich war er auch. Er zog aus seiner Rocktasche eine Ratte, - wer weiß, ob er sie als Zwischenmahlzeit bei sich trug – und warf sie in den Korb. Die Schlange biss die Ratte, verspritzte ihr Gift und verschluckte sie und konnte in jenem Augenblick dem Angeklagten nichts anhaben. Er konnte unbekümmert im Korb herumfummeln und den Ring rausholen.
Er wurde von der Anklage der Veruntreuung freigesprochen. Man pfählte ihn, weil er ein Tier getötet hatte.
Solch erhabener Respekt vor Tieren, mein lieber Onkel Habakuk, wird mit der Zeit dazu führen, dass sich der Mensch nur noch von Menschenfleisch ernähren wird.
(Der Eselin Ruhla werde ich außerhalb der Landesgrenzen einen doppelten Prügel verabreichen.)
Es grüßt dich herzlich, Dein Neffe Ibrahim

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