Dienstag, 6. März 2012

Tot sein lässt sich nur schwer trainieren

In jeder Gesellschaft besteht eine Rangordnung, sowohl bei den Tieren, wie auch bei den Menschen. Diese Hierarchie legt die Machtverhältnisse fest. Das Alpha-Tier führt den Rudel an, hat bei der Hackordnung Vortritt und geniesst – meistens ausschliesslich – die Gunst der Weibchen. Um die Spitzenposition muss gekämpft, und einmal erobert, muss sie auch verteidigt werden. Wird der Anführer einer Gruppe von einem jüngeren, kräftigeren Tier besiegt, so wird er in fast allen Fällen aus der Gruppe ausgestossen und dadurch faktisch zum Tode verurteil, sogar seine nicht erwachsenen Nachkommen werden oft vom neuen Boss umgebracht.
Beim Menschen ist es nicht viel anders. Auf allen gesellschaftlichen Stufen wird eine Hierarchieordnung erstellt, in der Familie, in den politischen Strukturen, unter den Nationen. Um die Macht wird erbittert gekämpft, mit schönen Worten und harten Bandagen. Jene, die den Machthaber stürzen wollen werden dann von den Alpha-Menschen „Terroristen“, genannt, die verhassten Regierenden „Tyrannen“. Der Beweis für diese Behauptung ist schnell erbracht: man muss nur eine beliebige Tageszeitung aufschlagen, an einem beliebigen Tag und wird das Phänomen bestätigt finden. Spezielle Hinweise erübrigen sich.
Der Wettkampf durchdringt alle Bereiche der Gesellschaft: Konkurrenz überall, in der Wirtschaft, am Arbeitsplatz, bei allen Wettbewerben, ob für Schönheit, Muskelpakete, Sport oder Unsinn. Und dieser Wettkampf hat auch seine Bibel: das Guinness-Buch der Rekorde. Hier wird der Blödheit ein Altar errichtet. Bei allen Wettbewerben können die Teilnehmer die Konkurrenz nur durch fleissiges Training besiegen. Die Sportler durch viel Aufwand an ihren Geräten, auf ihren Pisten, in ihren Schwimmbäder, die Schönen durch stundenlangem Hüftschwingen und Lächeln vor den Spiegeln, die Rekordfresser durch Verschlingen von Unmengen von Hamburgern, Wienerwürsten oder Torten, die Schalstrickerinnen durch Verweben von Bergen von Wollfäden und wer auch immer durch was auch immer. Der Gipfel der Glückseligkeit ist, sich im Guinness-Buch der Rekorde eintragen zu lassen, ungeachtet dessen, wie blöd die erbrachte Leistung ist.
Auch der 24-Jährige Janaka Basnayake in Sri Lanka hatte sich zum hehren Ziel gesetzt, im Lexikon des Unsinns Platz zu finden: er liess sich von Freunden und Verwandten begraben, um einen Rekord für die längste Dauer als lebendig Begrabener aufzustellen. (Neue Zürcher Zeitung, 6. März 2012, S. 20). Er hatte den Rekord nach sechseinhalb Stunden aufgestellt. Der einzige Schönheitsfehler dabei war: er war daran gestorben.
Eben: der Tod lässt sich nur schwer trainieren. Vielleicht könnte man im Guinness-Buch der Rekorde eine Kategorie für den totesten Toten eintragen.

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